Als ich mich im Jahr 1987 als hessischer Landesforstbeamter um eine ausgeschriebene Stelle in der saarländischen Forstverwaltung bewarb motivierte mich vor Allem auch die Aufgabenstellung Naturschutz und Waldbewirtschaftung so zusammen zu bringen, dass beide davon profitieren. Der Naturschutz in bewirtschafteten Wäldern sollte verbessert werden auch dadurch, dass man in unbewirtschafteten Wäldern lernt, wie natürliche Waldentwicklung abläuft. Denn Ziel der naturnahen Waldwirtschaft ist es, Holz so zu nutzen, dass der Wirtschaftswald nach einer natürlichen Dynamik wachsen kann. Das soll auch sicherstellen, dass trotz Holzentnahme aus dem Wald alle natürlich vorkommenden Arten im Wirtschaftswald leben können. Und um das zu lernen benötigt man auch unbewirtschafteten Wälder.
Die saarländische Forstverwaltung hatte in diesem Sinne schon nennenswerte Vorleistungen dadurch erbracht, dass sie in den 1970er Jahren über 30 Naturwaldzellen gesetzlich ausgewiesen hatte, die allerdings in der Regel so klein waren, dass eine waldtypische Dynamik nur schwer zu studieren war. Daher war das Projekt „Steinbachtal“, das bereits 1987 gestartet wurde Vorläufer des Urwaldprojektes und ich konnte viel bei diesem Projekt lernen, auch, wie man es nicht machen sollte. Man konnte also richtig Erfahrungen sammeln.
Der Disput, der sich zwischen Förstern, Naturschützern und verschiedenen Behörden entspann führte dann 1997 zur Ausweisung des ca. 400 ha großen Schutzgebietes „Urwald vor den Toren der Stadt“. Wesentlicher Motor der Diskussion war der damalige NABU Vorsitzende Stefan Mörsdorf, der das Steinbachtal Projekt in ruhigeres Fahrwasser bringen wollte. Kurz darauf, es ging auf Landtagswahlen zu und Stefan Mörsdorf wollte in eine ev. CDU Regierung wechseln, beschloss der Umweltminister Heiko Maas der noch regierende SPD Regierung eine Erweiterung des Schutzgebietes auf über die magische Zahl 1.000 ha und konnte damit sicherstellen, dass die SPD an der vordersten Front der Bewegung stand (vollzogen durch Rechtsverordnung vom 2 Juni 1999). Das änderte aber dann doch nichts an einem Regierungswechsel 1999 in der dann tatsächlich einer der Initiatoren des Projektes „Urwald…“ neuer Umweltminister und damit Chef der Forstverwaltung wurde.
Nach einigen Gründungswirren des SaarForst Landesbetriebs wechselte ich in eine neue Funktion, Leiter des Regionalbetriebs Süd, in dem auch das neue Schutzgebiet lag, bis dahin außer der förmlichen Ausweisung ohne nennenswertes Leben.
Der neue NABU Vorsitzende, Uli Heintz und der neue Regionalbetriebsleiter (meine Person) sahen nun für sich die Aufgabenstellung, „Leben“ in das Projekt zu bringen und bestehende Chancen so zu nutzen und zu bündeln, dass der Zweck des Schutzgebietes erreicht werden konnte.
Und da galt es für mich zunächst einmal mit einem Missverständnis meinerseits aufzuräumen. Ich und viele meiner Forstkollegen waren Befürworter eines Waldschutzprojektes, aber nicht an dieser Stelle, denn es gab viel naturnähere Waldflächen im Staatswald als ausgerechnet das menschlich, d.h. industriell stark überformte Steinbachtal. Bevorzugt hätte ich eine Fläche im Nordsaarland (die dann knapp 20 Jahre später als Teil des Nationalparks tatsächlich auch ausgewiesen wurde) oder mindestens die Täler nördlich des Steinbachtals. Immerhin, das Netzbachtal hatte dann Umweltminister Heiko Maas schon 1999 dazu geschlagen.
Uli Heintz hat mir dann nähergebracht, dass das Ziel der Ausweisung weniger der Schutz von möglichst natürlichen Wäldern ist, sondern dass es darum geht, den Menschen die Natur näher zu bringen. Und da liegt auf der Hand, dass die räumliche Lage eines solchen Projekts so nah wie möglich da sein sollte, wo die meisten Menschen leben. Also direkt bei der Landeshauptstadt.
Diese Erkenntnis war für mich ein Schlüssel dafür, dass ich mich voll mit der Lage des Schutzgebietes identifizieren konnte und nun der Prozess „Bündelung von Aktivitäten“ vorangebracht werden konnten. Es gab das Projekt zur Weltausstellung 2000 „low tech, high nature“ in der die Forstverwaltung der Öffentlichkeit moderne Forstwirtschaft vorgestellt hat, zu der Schutzgebiete ohne Nutzung dazu gehören. Es gab das Saarkohlewald/Regionalpark -Projekt der Europäischen Union (INTEREG, SAUL, Sustainable and Accessible Urban Landscapes) in dem Maßnahmen gefördert wurden zur Erhöhung der Attraktivität von Ballungsgebieten um der Schrumpfung der Bevölkerungszahlen entgegen zu wirken. Und es gab Fördermittel des Landes zur Umweltbildung die dann in diesem Projekt eingebracht werden konnten und aus denen dann „Urwald macht Schule“ und viele andere Projektideen hervorgegangen sind. Nicht zuletzt die erhebliche staatliche Investition von mehr als 1,7 Millionen € in die Liegenschaft Scheune Neuhaus sollte das Urwaldprojekt und seinen Zweck: Bildung von Menschen zur Waldnatur, voranbringen.
Diese Zusammenarbeit zwischen dem Nicht-Regierungsorganisation NABU Vorsitzenden Uli Heintz und dem Staatsvertreter Regionalbetriebsleiter Hubertus Lehnhausen hat dann irgendwann nach einigen Jahren dazu geführt, dass mich Uli fragte, ob ich nicht NABU Mitglied werden wollte. Na, dachte ich mir, wenn die so arbeiten wie Uli, dann kannst Du da gerne mitmachen. Seither (2003) bin ich NABU Mitglied und Beisitzer im NABU – Saar Landesvorstand. Die Arbeit im Urwald Projekt hat mich zum NABU gebracht.
Später kamen weitere Projekte dazu, ein wesentlicher Impuls kam vom Projekt „Wertvoller Wald“ (gefördert durch die Bundesstiftung Umwelt DBU) Dies Projekt hat genau das Leben in das Schutzgebiet gebracht, dass ich mir vorher schon gewünscht hatte, dass sich aber nicht mit staatlichen Landesmitteln allein realisieren ließ. Es brachte Forschungselemente in das Schutzgebiet, insbesondere zu Insekten mit Spezialuntersuchungen zu Käfern und Schmetterlingen; viele Umweltbildungselemente und nicht zuletzt das Waldinformationszentrum (WIZ) des NABU, das heute noch zentrale Räumlichkeit für alle NABU Aktivitäten im Urwald ist. Das Gebäude dieses WIZ steht für mich hervorragend für ein Beispiel für umweltgerechtes Bauen mit Holz. Ich bedauere es, dass dieses Projekt noch nicht die Würdigung gefunden hat, die es m.E. verdient. Der Initiator und Durchführer des Projekts, Helmut Harth, hat hier Spuren hinterlassen von denen interessierte Menschen noch lange profitieren können. Und das Projekt hat sehr viel wissenschaftlichen Beitrag zum Urwald gebracht.
Die ursprüngliche Idee, dass Forstverwaltung, NABU und Umweltministerium sich zusammentun und jeder der Partner in das Projekt einbringt was er kann hat sich im Laufe der Zeit, so ab 2011 weiterentwickelt. Das Land (Forstverwaltung) hat sich zunehmend zurückgezogen und darauf beschränkt, für Haushaltsmittel zu sorgen. Die echten Aktivitäten haben sich zunehmend auf die Nichtregieungsorgansiation NABU verlagert. Mit den Personen, die die Realisierung der Aktivitäten gemacht haben, geht das bis heute gut. Dennoch halte ich es für eine Gefährdung der Nachhaltigkeit des Projekts Urwald, dass Eigentum an Grund und Boden vom Land an die NGO übertragen wurde und dass eines Tages in einer freiwilligen Organisation Verhältnisse eintreten können, die Projektinhalte beenden könnten. Ansätze dazu haben wir schon. Es war nicht gut für die Nachhaltigkeit des Projekts, dass sich der SaarForst im Wesentlichen herausgezogen hat (bis auf den Urwaldförster und seinen Mitarbeiter).
Das sind Hintergedanken die ich habe, wenn ich auf die bisherige Geschichte des „Urwald vor den Toren der Stadt“- Projekts zurückblicke. Diese Gedanken kann ich leicht verdrängen, wenn ich mir das NAJU Projekt im Urwald anschaue und dort finde: „Ferientage an der Scheune Neuhaus“, „Wald-Erlebnis-Camp an der Netzbachhütte“, „Jugend-Natur-Lager am Wildnis-Camp“ dann freue ich mich mächtig über das tolle Programm, dass aus der Initiative von 1997 entstanden ist.